Heisst Müllvermeidung wirklich immer do it yourself?
Zero Waste (englisch für “Null Müll”) ist eine Philosophie, ein Lebensstil, der nach Nachhaltigkeit durch Müllvermeidung strebt. Millionen von Menschen auf der ganzen Welt machen bereits mit und tausende von Internetseiten warten mit den tollsten Tipps auf, wie man Müll im Haushalt vermeiden kann.
Die meisten dieser Blogs, YouTube-Portale und Instagram-Kanäle vermitteln allerdings ein völlig falsches Bild, indem sie “zero waste” mit “do it yourself” übersetzen, was viele Menschen vom Zero-Waste-Konzept abschrecken könnte. Dieser Artikel macht Schluss mit der Idee, dass nur Heimwerker und Bastelfreunde mit unbegrenztem Zeitkontingent die Welt retten können.
Über’s Ziel hinaus geschossen
Wir sind zu weit gegangen. Im wahrsten Sinne des Wortes. In all unserer Weisheit, Kreativität und Verbesserungswut haben wir den Moment verpasst, an dem es Zeit gewesen wäre, auf die Bremse zu treten; den Moment, an dem wir bei verschiedenen Produkten hätten aufhören sollen, nach Weiterentwicklungen zu suchen, da der damalige Status Quo eigentlich ganz okay war.
Doch das kann der Mensch nicht. Wir können nicht einfach einen Gegenstand anschauen, ohne uns Gedanken darüber zu machen, wie wir ihn ver(schlimm)bessern oder zumindest verändern können. Und dann kommen wir halt auf Ideen wie Einweg-Geschirr, Kaffeekapseln und Plastikverpackungen für Kokosnüsse.
Müllvermeidung bedeutet für mich vor allem, einen Schritt zurückzugehen. Niemand sagt, dass ein nachhaltigeres Leben einfacher, billiger oder komfortabler wäre. Aber wäre es wirklich so ein grosser Einschnitt in die Lebensqualität, wenn man seinen Kaffee wieder nach guter alter Tradition mit einem zweiteiligen Kaffeekocher aus Metall aufbrühte, der so ganz ohne Plastik und sogar Filter auskommt? Wäre es wirklich so unhygienisch, die Kokosnuss unverpackt nach Hause zu tragen? Und BRAUCHE ich eigentlich den Weichspüler in der Plastikflasche?
Zero Waste ist nicht nur do it yourself
Wer sich durch die virtuelle Zero-Waste-Landschaft des Internets klickt, wird das Gefühl nicht los, dass Müllvermeidung und Nachhaltigkeit in erster Linie mit viel Arbeit und Aufwand verbunden sind. Was da gebastelt, gemixt, gekocht und gewerkelt wird, ist mit dem Leben eines berufstätigen Menschen nicht vereinbar. Von A wie Abschminktücher bis Z wie Zahnpasta – es gibt kaum noch etwas, was der ambitionierte Müllvermeider von heute nicht selber herstellen kann. So zum Beispiel Spülmittel.
Ich mache da nicht mit. Ich habe einen Beruf, zwei Hunde und Hobbies und habe keine Zeit – und Lust! – mich abends nach getaner Arbeit in die Küche zu stellen und Kernseife in eine Schüssel zu hobeln, um mein eigenes Waschmittel herzustellen. Mein Zero-Waste-Konzept setzt früher an und beginnt mit der Frage: Brauche ich das eigentlich?
Zero Waste heisst nicht Zero Konsum
Zero Waste beginnt für mich mit der Einkaufsplanung. Allein diese Planung hilft bereits, Müll zu vermeiden, denn sie bewahrt mich vor Spontan- oder Impulskäufen. Was nicht auf der Liste steht, kommt auch nicht in den Wagen. Noch wichtiger aber: Was ich nicht wirklich brauche, schafft es nicht mal auf die Liste.
Ich bin mir beispielsweise durchaus darüber im Klaren, dass Toilettenpapier zu den absolut notwendigen Dingen im Haus gehört. Bei Feuchttüchern allerdings sieht die Sache schon ganz anders aus. Die lassen sich ganz einfach durch Wasser und Seife ersetzen. Profi-Tipp: Das ovale Becken aus Porzellan mit Wasseranschluss, das in den meisten modernen Häusern direkt neben der Toilette installiert ist, ist nicht zum Füssewaschen gedacht.
Verpackungsmüll bleibt im Laden
Wenn ich den Kauf von Plastikmüll im Supermarkt partout nicht vermeiden kann, weil es schlicht keine Alternativen mehr gibt, dann bin ich dazu übergegangen, den Müll im Laden zu lassen. Die Nudeln, der Reis und das Müsli werden aus der Tüte umgefüllt in ein Glas, der Rest wandert in den Mülleimer hinter der Kasse. Gleiches geschieht mit Umverpackungen wie Plastikfolie von Obst, Gemüse oder Fleisch. Die Lebensmittel gehen in den Stoffbeutel und die Glasdose, der Müll bleibt im Laden.
Tu Gutes und sprich darüber
Die Idee ist, dass die Supermärkte ihre Macht nutzen, um Veränderungen auf Seiten der Hersteller zu erzwingen. Wenn ein Supermarkt im Müll erstickt und nicht mehr weiß, wohin damit, dann wird die Geschäftsleitung eher früher als später vom Hersteller ein anderes Verpackungskonzept verlangen. Damit das Ganze aber funktioniert, sind zwei Dinge vonnöten: jede Menge Mitmacher und eine offene Kommunikation mit der Geschäftsleitung (persönlich oder per Email) des jeweiligen Supermarktes.
Ich bitte regelmäßig um ein Gespräch mit dem Geschäftsführer, um ihn von meiner Aktion zu unterrichten und um Alternativen aufzuzeigen. Wer beispielsweise empfindliches Obst immer noch in Plastikfolie anstatt in 100% biologisch abbaubarer Folie aus Zellulose einschweisst, hat möglicherweise noch nichts von der Innovation gehört. Wer sich immer noch damit rausreden will, dass Lebensmittel aus hygienischen Gründen nicht lose angeboten werden dürfen, der hat möglicherweise noch nichts von verpackungsfreien Läden gehört, wo das Problem ganz einfach mit grossen Schütten gelöst wird und daher nicht so illegal sein kann, wie die Supermärkte das gerne behaupten.
Zero Waste – 10 Dinge, die du tun kannst
Um die Menge deines Haushaltsmülls zusätzlich herunterzufahren und dem Ziel “Zero Waste” – null Müll – ein kleines Stückchen näher zu kommen, habe ich hier mal die Top-10-Liste der Dinge zusammengestellt, die du tun kannst, um deinen ökologischen Fußabdruck in Sachen Müllproduktion so klein wie möglich zu halten.
- Wochenmarkt statt Supermarkt
Wer darauf achtet, auf dem Wochenmarkt wirklich vom regionalen Anbieter zu kaufen (oft gibt es selbst ernannte “Bauern”, die nicht mehr bauen als ihren Stand auf dem Markt. Ihre Ware hingegen stammt aus dem Großmarkt und kommt mit jeder Menge Verpackung, die wir als Kunde nur nicht sehen sollen. Schau mal hinter den Stand…), vermeidet nicht nur große Mengen Müll, sondern bekommt auch die Menge an Lebensmitteln, die sie/er möchte. Was will ich beispielsweise als Single mit einem 5-Kg-Sack Kartoffeln? Auf dem Markt kann ich bei Bedarf auch nur eine einzige Frucht kaufen, wenn ich das möchte. - Mehrweg statt Einweg
Viele Produkte, die in Plastikbechern oder -flaschen angeboten werden, gibt es auch in Glasbechern oder -flaschen. Das beste Beispiel ist Jogurt, Milch oder Saft. - Metalldose statt Plastikfolie
An vielen Frischetheken in Supermärkten, an denen es Wurst und Käse, Fisch und Fleisch zu kaufen gibt, werden mittlerweile mitgebrachte Container akzeptiert. Lass dich nicht mit der Info abspeisen, das sei aus hygienischen Gründen nicht erlaubt. Das ist Quatsch. - Alltagsgegenstände ersetzen
Alltagsgegenstände wie die Zahnbürste, Strohhalme, oder auch die Plastikfolie in der Küche können einfach und bequem gegen umweltfreundliche Alternativen ausgetauscht werden. Zahnbürsten gibt es mittlerweile auch aus Bambus und sogar Buchenholz, unter anderem in unserem Shop. Der Stiel ist aus ökologisch produziertem Bambus, während die Borsten aus Bambusviskose bestehen, die aus dem Zellstoff von Bambus hergestellt werden. Aluminium und Frischhaltefolie lassen sich wunderbar durch Bienenwachstücher ersetzen, die im besten Fall aus ökologisch unbedenklichen Bienenwachs und Baumwolle bestehen. - Seife und Shampoo: Blöcke statt Flaschen
Seife und Haarshampoo, das in festen Blöcken angeboten wird, ist nicht nur deutlich ergiebiger als Flaschenprodukte, sie werden auch ohne Plastikverpackung und nur im Karton verkauft. Dein Haar muss nicht riechen wie eine Sommerwiese zur Blütezeit im Abendlicht. Sauber reicht. - Nutze verpackungsfreie Läden
Auf einer Karte von Zero Waste Switzerland findest du Läden, in denen du deine Produkte lose kaufen kannst. Die Karte gibt es hier. - Second Hand statt Versandhandel
Wer in letzter Zeit einmal einen Second-Hand-Laden betreten hat, wird genau wie ich Bauklötze gestaunt haben. Der feinste Markenzwirn, qualitativ wie neu, hängt da für wenig Geld auf dem Ständer und wartet nur darauf, mit einem umwelt- und konsumbewussten Menschen nach Hause gehen zu dürfen. Man muss dann allerdings damit leben, dass man modisch total out ist. Aschgrau war letztes Jahr. Dieses Jahr ist Dämmergrau angesagt. Na dann… - Display statt Ausdruck
Wer sich heute noch Flugtickets, Konzert- oder Bahnkarten ausdruckt, der verschenkt nicht nur Potential seines intelligenten Kommunikationsknechts, der verschwendet auch eine Menge an Papier, Tinte und Strom. Tickets kann man sich heute bequem aufs Smartphone oder das Tablet laden und bei Bedarf vorzeigen. Lass dein Telefon nicht smarter sein als du selbst! - Selbermachen statt kaufen
Wenn du unter keinen Umständen auf deine Haarspülung, Waschmittel und andere unsinnige Dinge verzichten möchtest, kannst du die auch selber machen, anstatt sie zu kaufen. Aber mal im Ernst: Wer immer noch glaubt, dass es das Waschmittel sei, dass die Wäsche reinige, der ist immer noch den Märchen der Werbeindustrie aufgesessen.
Das Waschmittel, das nichts anderes als Seife ist, macht das Wasser basisch. Das basische Wasser wiederum reinigt die Wäsche, nicht das Waschmittel. Allerdings kann man Wasser auch basisch machen, ohne pfundweise Chemikalien hineinzuschütten. Mit Keramikkügelchen beispielsweise, die in unserem Wasch-Ei stecken. So wird die Wäsche ganz ohne den Einsatz von Waschmitteln sauber, man spart jede Menge Geld und noch mehr Verpackungen.
Und auch hier gilt wie schon bei deinen Haaren: Sauber reicht. Niemand erwartet von dir, gegen den Wind zu riechen wie ein klarer Gebirgssee nach einem Gewitterregen im Frühherbst. Also, niemand außer den Werbetypen. - Nutze deine Produkte länger
Dein Smartphone ist schon 14 Monate alt und hat bereits einen Kratzer auf dem Display? Ausserdem ist die Farbe Aschgrau und noch nicht auf Dämmergrau upgedated? Dann wird es aber höchste Zeit – dass du dich daran gewöhnst! Das Teil funktioniert nämlich noch einwandfrei. Die Batterie lädt noch zuverlässig und all die seltenen Erden und die Edelmetalle, die von Menschen unter lebensgefährlichen Bedingungen aus der Erde geholt wurden, versehen ihren Job noch tadellos.
Wer seine technischen Geräte so lange nutzt, bis es wirklich nicht mehr geht, spart nicht nur ungeheuer viel Geld, sondern auch jede Menge Verpackungsmüll.
Zusammenfassung
Zero Waste heißt nicht automatisch Zero Freizeit, weil man auf einmal das Gros seiner Alltagsprodukte selber herstellt. Ich muss meine Bambuszahnbürste nicht von Hand schnitzen und einem Wildschwein unter Einsatz meines Lebens ein paar Borsten vom Leib reißen. Ich kann mir Bambuszahnbürsten kaufen und die Plastikdinger links liegen lassen.
Auch muss ich nicht kiloweise Kernseife raspeln und mit Soda vermengen, um das Zeug irgendwie in meine Waschmaschine zu bekommen. Es gibt zig Alternativen umweltfreundlich verpackt und geliefert. Ich muss sie nur nutzen.
Und ich muss nachdenken. Nachdenken, ob ich Produkte wirklich brauche und wenn ja, ob es nicht Alternativen zum Status Quo gibt. Wer das tut, der tut schon eine ganze Menge.
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