Privatjet über dem WEF in Davos

Per Jet ans WEF, um die Klimaprobleme zu lösen. Ist das ok?

Jährlich grüsst das WEF in Davos und immer sind es die ähnlichen Themen, welche durch die Nachrichtenportale und die Sozialen Medien geistern. Da sind die Weltverbesserer, die Verschwörungstheoretiker und die Ignoranten. Eine Schlagzeile hat mich dann aber doch neugierig gemacht:

Mit dem Privatjet zur Podiumsdiskussion über den Klimawandel

Eines der Themen des Weltwirtschaftsforums in Davos ist der Klimawandel. Aus der ganzen Welt fliegen Wirtschaftsvertreter, Politikerinnen und Staatsoberhäupter ein, um in Davos unter anderem darüber zu sprechen.

Insgesamt sind es gut 1000 zusätzliche Flugbewegungen, die durch das WEF entstehen, schätzt die Schweizer Flugsicherung Skyguide. Viele kommen mit einem Linienflug nach Zürich, die Staatschefinnen und -chefs meist in Staatsmaschinen. Hinzu kommen auch etliche Hundert Flüge von Privatjets, die alleine laut Skyguide schon für 500 Starts und Landungen sorgen.

SRF.ch

Ist das pure Heuchelei oder vertretbar?

Die Fakten … zumindest glaube ich das

Die Daten hier sind aus einem Papier vom Greenpeace. Ich gehe mal davon aus, dass diese stimmen, aber wirklich sicher sein, kann man sich nicht:

  • Jeder 10. WEF Teilnehmer reist mit dem Privatjet an
  • Dabei wurden soviele CO2 ausgestossen (7’400 Tonnen), wie 260’000 Autos in einer Woche tun

Die folgenden Zahlen beziehen sich allgemein auf Privatjetflüge, während des WEFs 2022

  • 6% der Privatjetflüge waren kürzer als 100 km
  • 38% der Privatjetflüge waren kürzer als 500 km
  • 53% der Privatjetflüge waren kürzer als 750 km

Das nehmen wir einfach mal so zur Kenntnis.

Entfernungsverteilung aller Flüge während des WEF 2022 (21. – 27. Mai)

Diagramm Distanz, welche mit dem Privatjet zurückgelegt wird, um ans WEF zu gelangen
Quelle: Greenpeace

Warum wählen diese hochrangigen Menschen das Flugzeug, um ans WEF zu kommen?

Wenn wir schon bei einem Hype Thema sind. Ich habe einfach mal ChatGPT (künstliche Intelligenz) diese Frage gestellt. Ich bekam folgende Antwort:

Hohe Politiker wählen oft den Privatjet, um Zeit zu sparen und sich bequem zu bewegen. Der Privatjet ermöglicht es ihnen, nach einer kurzen Vorbereitungszeit direkt zu ihrem Zielort zu gelangen. Ein weiterer Vorteil ist der Komfort, den ein Privatjet bietet: mehr Platz, eine private Kabine und eine auf die Bedürfnisse des Passagiers zugeschnittene Atmosphäre. Ferner ermöglicht es ein Privatjet, mit einer grösseren Sicherheit zu fliegen, sowie schnell und effizient auf Änderungen der Reiseroute zu reagieren.

ChatGPT

Oder kurz gesagt: Ich möchte möglichst schnell und bequem von A nach B kommen. Alternativen wären allenfalls:

  • Zug
  • Auto
  • Normaler Linienflug

Ist der Jet wirklich so viel schneller?

Wahrscheinlich schon… wenn es ein privater ist. Wenn ich, mächtiger Eigentümer von Einfach Weniger ;-), von Herzogenbuchsee nach Davos ans WEF gehen möchte, würde das so lange dauern:

  • Auto: 3 – 4 h (je nach Verkehr), 239 km
  • Zug: 3.5 – 4 h (1-3x umsteigen, je nach Verbindung)
  • Flugzeug Privatjet: Herzogenbuchsee – Belp, 50 Minuten, und dann 180 km fliegen, dauert wahrscheinlich 20 Minuten -> Total ca. 1.5 h
  • Flugzeug Linienflug: gibt es wahrscheinlich gar nicht

Die schaffen so viel, da ist das vertretbar

Gut, man könnte wie folgt argumentieren: Die Probleme sind so gross, es braucht ein entsprechendes Investment: Der Herr Minister kann seine Reisezeit verkürzen und produktiver gestalten, ergo mehr für den Umweltschutz tun. Es wäre eine Verschwendung von Steuergeldern, den Herr Bundesrat, Minister oder Abgeordneten seine Zeit im Zug oder einem Linienflugzeug verschwenden zu lassen (wenn er denn wirklich auch von weiter her anreist).

Setzen wir die 7’400 Tonnen CO2 Emissionen in Kontext:

Die innerhalb der Schweiz 2020 in die Atmosphäre ausgestossene Menge an Treibhausgasen entspricht 43.4 Mio. t CO2-Äquivalenten (nicht eingerechnet ist der internationale Flug- und Schiffsverkehr). Dies entspricht einem Treibhausgasausstoss von 5 t CO2-Äquivalente pro Kopf (davon CO2: 4 t pro Kopf).

Addiert man allerdings die durch Importgüter im Ausland verursachten Emissionen hinzu, beläuft sich das Total der jährlichen Pro-Kopf-Emissionen auf mehr als das Doppelte (ca. 13 t CO2-Äquivalente pro Kopf im Jahr 2019).

BAFU

Alles in allem werden in der Schweiz somit in der Schweiz jährlich 112.84 Millionen Tonnen CO2 Emissionen verursacht. Die 7400 Tonnen entsprechen lediglich 0.01% vom Schweizer CO2 Verbrauch. Das WEF ist aber international. Der Internationale CO2 Ausstoss betrug 2021 37 Milliarden Tonnen. Die 7400 Tonnen gemessen an den 37 Milliarden erspare ich dir. Es entsteht eine Zahl, die definitiv nicht mehr relevant ist und einem Tropfen im grossen Teich gleicht.

DIE lösen die Probleme. Wir “investieren” somit ganz wenig (diese 7400 Tonnen) und bekommen sehr viel zurück (die Bewahrung der Welt vor dem Weltuntergang). Ist das so? Ich hoffe es. Oder ist es lediglich ein selbstgefälliges Schulterklopfen, das Schmieden von neuen Geschäftsplänen und Festigen von Allianzen?

Diese Beurteilung überlasse ich anderen, weil ich es definitiv nicht kann.

Und das Vorbild?

Was auch immer du vom letzten Abschnitt hältst. Es ist nicht von der Hand zu weisen, die WEF Teilnehmer grauenhafte Vorbilder sind und eine gewisse Arroganz zeigen: “Da wir aber so viel beschäftig sind, haben wir keine Zeit, uns um so Kleinigkeiten wie CO2 Emissionen für die Anreise zu kümmern. Unsere Alltagsherausforderungen sind viel Grösser.”

Jeder Mensch hat Probleme und Herausforderungen in seinem Leben. Und jede Herausforderung ist relativ gesehen eine Herausforderung.

Für Viktor Röthlin liegt die Herausforderung, einen Marathon in 2:07 h zu laufen, für dich vielleicht darin, 10 km am Stück zu rennen. Absolut gesehen ein gigantischer Unterschied, aber in den Schuhen des Protagonisten vergleichbar. Für uns war die Herausforderung, die Entwicklung von Zahnpastapulver Paudi 🙂

Wenn wir immer die eigene Situation und Herausforderungen des Lebens als Grund nennen, uns nicht ändern zu können, werden wir es auch nie tun. Genau deshalb brauchen wir Vorbilder. … oder müssen eben selber Vorbilder sein, anstatt mit dem Finger auf andere zu zeigen.

Und um nochmals auf die WEF Teilnehmer zurückzukommen. Es wirkt definitiv glaubwürdiger, ein Kleinwenig darauf zu achten, aber dann wiederum: Vielleicht sind diese Probleme in den Augen der Teilnehmer gar nicht so wichtig. Sollte ich jemals ans WEF gehen, dann werde ich mit dem Fahrrad hinfahren. Neben den positiven Umweltauswirkungen, wäre es auch noch ein genialer PR-Stunt: “Raphael Schär, E-Commerce Mogul für nachhaltige Produkte, fährt mit dem Velo ans WEF, um Klimaprobleme zu lösen.

Du kannst dir die Welt mit dem Privatjet nicht vorstellen? Ich mir auch nicht. Daher hier ein paar Einblicke.

Zu guter letzt: Es sind die kleinen aber vielen Schritte, die es ausmacht. Verpackung sparen z.B. durch Zahnpastapulver, auf Shampoo-Flaschen verzichten durch Seife, oder den Göffel anstatt Wegwerfbesteck. Your joice.

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