Nachhaltig zu reisen wird immer mehr Touristen immer wichtiger. Doch wer auf seinen Trips einen kleineren ökologischen Fussabdruck hinterlassen und mit seinen Reisen einen positiven Effekt auf das Leben der lokalen Bevölkerung haben möchte, der hat es zur Zeit noch relativ schwer, geeignete Anbieter zu finden.
In diesem Artikel klären wir daher nicht nur, was man alles bedenken muss, wenn man nachhaltig reisen möchte, sondern stellen ausserdem Reiseagenturen und -veranstalter vor, die sich auf ein ökologisch und sozial verträglicheres Reisen spezialisiert haben.
Nachhaltig reisen falsch verstanden
Ich muss gestehen, dass die Überschriften für die meisten meiner Artikel im wahren Leben geboren werden. So auch diese. Da erzählt mir doch vor wenigen Tagen ein Freund mit vor Stolz geschwellter Brust, dass er jetzt auch “auf den Nachhaltigkeits-Zug aufgesprungen” sei. Er würde jetzt sogar nachhaltig reisen. Gerade erst sei er wieder weg gewesen. Auf Bali. All inclusive. Todschick.
“Bali?”, frage ich ihn, “Ist das nicht ne Fernreise, so mit Flug und so? Und all inclusive? Wie soll das denn nachhaltig sein?” – “Ich habe den CO2-Ausgleich gezahlt.”
Es sind diese Momente, in denen ich verstehe, wie ansonsten friedfertige Menschen im Affekt handeln können…
Nachhaltige Fernreisen gibt es nicht
Lassen wir die hässliche Katze doch gleich am Anfang aus dem Sack, dann ist der Drops schon mal gelutscht: Von einem ökologischen Standpunkt aus gibt es keine nachhaltigen Fernreisen. Egal, was du an Ausgleich zahlst, wie viele mundgeklöppelte Teppiche du von lokalen Familien vor Ort kaufst und wie wenig Müll du produzierst. Wer mit dem Flugzeug oder gar dem Kreuzfahrtschiff anreist, ist aus ökologischer Sicht nicht nachhaltig, sondern nur eine andere Umweltsau. Kann man seine Fernreise nachhaltiGER gestalten? Keine Frage. Kann man seine Fernreise komplett und in jeder Hinsicht nachhaltig gestalten? Nicht, wenn man nicht ein verdammt guter Langstreckenschwimmer ist.
Nachhaltigkeit ist kein Zustand.
Es ist ein Prozess.
Was ist denn dann nachhaltiges Reisen?
Wer wirklich nachhaltig reisen möchte, der muss gleich drei Bereiche in seine Überlegungen einbinden: den ökologischen, den wirtschaftlichen und den sozialen. Schauen wir uns doch jeden dieser Bereiche einmal genauer an.
Der ökologische Aspekt des nachhaltigen Reisens
Der ökologische Aspekt betrifft vor allem die An- und Abreise, aber nicht nur. Generell gilt: Je langsamer, desto sauberer. Einzige Ausnahme: Kreuzfahrtschiffe. Was die Dinger im Verhältnis zu ihrem Schneckentempo an Dreck raushauen, ist ein Verbrechen an der Natur. Werfen wir mal einen Blick auf den CO2-Ausstoss der einzelnen Transportmittel pro Person und Kilometer:
- Pkw: 140 g
- Linienbus: 75 g
- Fernbus: 32 g
- Zug im Nahverkehr: 63 g
- Zug im Fernverkehr: 38 g
- U-Bahn: 65 g
- Flugzeug: 240 g
- Kreuzfahrtschiff: 300 g
Wer also nachhaltiger reisen möchte, muss vor allem langsamer reisen. Flug- und Schiffsreisen fallen unter rein ökologischen Gesichtspunkten aus. Wer einmal von Zürich nach Vietnam und zurück fliegt, hat so viel CO2 in die Luft entlassen wie auf einer Fahrt mit dem Auto einmal rund um die Welt.
Ein Kreuzfahrtschiff produziert pro Tag so viel Kohlendioxid wie 84.000 und so viel Schwefeloxid
wie 376 Millionen Autos.
Und was ist mit der Unterkunft?
Schön, dass du fragst. Der ökologische Aspekt muss natürlich beim nachhaltigen Reisen auch bei der Wahl der Unterkunft berücksichtigt werden. Internationale All-Inclusive-Hotels produzieren mehr Müll, werfen mehr Lebensmittel weg und waschen mehr Maschinen mit fast sauberen Handtüchern als kleine Anlagen oder Pensionen. Ausserdem wird beim Einkauf der Lebensmittel vor allem auf den Preis und nicht auf die Produktionsmethoden geachtet. Auf ökologisch angebautes Obst und Gemüse darf man wohl nur in einigen Luxus-Hotels hoffen.
Der wirtschaftliche Aspekt
Beim wirtschaftlichen Aspekt des nachhaltigen Reisens geht es weder um Schnäppchen für dich noch um Gewinnmaximierung für den Anbieter. Es geht vielmehr darum, wie viel deines Geldes in der Region verbleibt und was der Anbieter unternimmt, um die wirtschaftliche Lage für die Einheimischen am Zielort zu verbessern.
Auch hier sind die Kreuzfahrer wieder das absolute Negativbeispiel. Wie die Heuschrecken fallen sie zu Tausenden jeden Tag über eine neue Stadt her, hinterlassen jede Menge Müll, zertrampeln jede Menge Blumenbeete und verstopfen Innenstädte, in denen Menschen versuchen, ein Leben zu führen. Nur Geld lassen sie keins da. Kein Eis, kein Kaffee, kein Kuchen, kein Souvenir. Warum auch? Die meisten Dinge davon gibt es – all inclusive – doch auf dem Schiff.
Unterstütze Familien, keine Kapitalgesellschaften
Wer all inclusive bucht und vor Ort vor allem amerikanische Fastfood-Ketten in Anspruch nimmt, der kann auch auf einem handgeschnitzten Katamaran aus ökologisch produziertem Bambus angereist sein – nachhaltig reisen ist das aber noch lange nicht. Internationale Hotelketten sind nicht dafür bekannt, faire Löhne an die Menschen zu zahlen, die hinter den Kulissen arbeiten und dasselbe kann man wohl mit Fug und Recht von den Fresstempeln der Amis behaupten.
Abgesehen davon hat der Rest der lokalen Bevölkerung nichts davon, wenn ich mir im Hotel den Bauch mit billigen Lebensmitteln vollstopfe und mir während der abendlichen Show mit verdünntem Bier die Bikini-Figur versaue. Aber es gibt ja Alternativen. Kleine Pensionen bieten zwar oft ausser einem guten Frühstück keine Mahlzeiten an, dafür kennt der Herr oder die Dame an der Rezeption aber jede Menge Restaurants, in die man nach dem Essen einziehen möchte, um für den Rest seines Lebens so nah wie möglich am Koch und an der Küche zu sein.
Auch viele andere Dinge, die es im Hotel gibt, bekommt man ausserhalb der Anlage. Souvenirs? Massagen? Rundreisen? Kaffee und Kuchen? Das Bier im Sonnenuntergang? Livemusik? Das alles gibt es in der Regel auch von Einheimischen (oft viel billiger und besser), die mit dem Verdienst ihre Kinder füttern und zur Schule schicken können.
Der soziale Aspekt
Wer die Einheimischen in seinem Urlaub eher wie Bedienstete, Lakaien und als Teil einer grossen Urlaubs-Show sieht und behandelt, der handelt nicht nachhaltig, sondern benimmt sich auf monumentaler Ebene daneben. Ich darf nie vergessen, dass ich Gast in einem Land bin und dessen Gesetze und Kulturen vor allem anderen zu respektieren habe.
Ich werde beispielsweise nie vergessen, wie ich auf einem meiner Wohnmobil-Trips durch die Türkei in einer Bäckerei in einem ost-anatolischen Dorf nicht bedient wurde. Fast 20 Minuten lang wurde ich keines Blickes gewürdigt. Konsterniert berichtete ich meiner Frau davon. Sie hob nur eine Augenbraue und liess ihren Blick an mir herunter über meine Shorts auf meine nackten Beine wandern. “Und du wunderst dich?” Ich zog mir eine lange Hose an, ging zurück zu der Bäckerei und wurde freundlicher empfangen als von den meisten Mitgliedern meiner Familie.
Sei ein Gast und kein Besetzer
Wer sich durch die vielen Reisekanäle auf Instagram klickt, wird etliche Fotos finden, die nie und nimmer mit dem Einverständnis der abgebildeten Menschen zustande gekommen sind, weil es mit ihrer Kultur oder ihrem religiösen Glauben nicht vereinbar ist. Diese Fotografen handeln alles andere als nachhaltig, weil sie die Gefühle anderer Menschen bewusst verletzten. Verhalte dich auf deinen Reisen wie ein Gast und nicht wie ein Zoobesucher.
Der Mensch ist das einzige Lebewesen,
das seinen Lebensraum bewusst zerstört.
Nachhaltig reisen – alternative Veranstalter
Mehr und mehr Reiseveranstalter und -agenturen haben den Wunsch der Kunden nach einer anderen Art zu reisen verstanden und entsprechend reagiert. Ich habe mal eine Linkliste von Veranstaltern zusammengestellt, die sich auf nachhaltiges Reisen und Ökotourismus spezialisiert haben:
Bio-Hotels
Bio Hotels vereint 80 Hotelbetriebe in Europa, die unter anderem auf die Verwendung von Bio-Lebensmitteln aus regionaler Produktion achten. Auch Allergiker, Vegetarier oder Veganer finden in diesen Hotels eine vollwertige Speisekarte vor.
Bookitgreen
Bei Bookitgreen kannst du nachhaltige Urlaubsunterkünfte in ganz Europa buchen. Die Häuser müssen 15 Nachhaltigkeitskriterien erfüllen wozu die Verwendung von Ökostrom, und Bio-Lebensmitteln sowie die Abfallvermeidung zählt.
BookDifferent
Bookdifferent ist eine niederländische Plattform und steht derzeit nur auf Englisch, Französisch und Niederländisch zur Verfügung (Das allerdings sollte ja kein Problem sein, da wir uns vor Ort ja auch mit Einheimischen unterhalten wollen. Stichwort: soziale Nachhaltigkeit). Das Konzept: Von jeder Buchung über BookDifferent spendet die Firma die Hälfte der Buchungskommisson an eine Wohltätigkeitsorganisation, die du frei wählen kannst. Die Plattform greift dafür auf die Daten von booking.com zu und informiert den Gast für jede Unterkunft über den jeweiligen CO2-Abdruck pro Nacht.
Forum anders reisen
Mehr als 130 Reiseveranstalter, die sich dem nachhaltigen Tourismus verschrieben haben, findet man im Forum anders reisen. Die Angebote dieser Veranstalter orientieren sich nach eigenen Angaben am Menschen und an der Umwelt und sind “ethisch und sozial gerecht”.
Zusammenfassung
Wer nachhaltig reisen möchte, muss neben dem ökologischen auch den wirtschaftlichen und sozialen Aspekt berücksichtigen. Sowohl die Wahl des Transportmittels als auch die Wahl der Unterkunft und die Entscheidung, wie man seine Zeit am Zielort verbringt, hat einen direkten Einfluss auf die Nachhaltigkeit der Reise.
Aus rein ökologischen Gründen sollte man auf Fernreisen so gut wie möglich verzichten. Einen Strandurlaub kann man auch in Spanien verbringen, dafür muss man nicht um die halbe Welt nach Thailand fliegen.
Wenn du sicher sein möchtest, dass deine Reise so nachhaltig wie möglich ist, wende dich an einen Veranstalter, der die Wichtigkeit der drei Säulen der Nachhaltigkeit verstanden hat.
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