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Selbstversorgung – Sinn oder Wahnsinn?

Den Traum der Selbstversorgung träumen immer mehr Menschen. Sich nur von dem zu ernähren, was der eigene Garten hergibt, gesünder zu essen und gleichzeitig den bösen Konzernen ein Schnippchen zu schlagen – besser geht es doch wohl nicht. Aber wie realistisch ist die Nahrungsbeschaffung im eigenen Beritt eigentlich? Kann man auf ein paar Quadratmetern Land wirklich genug anbauen, um den täglichen Kalorienbedarf zu decken? Macht Selbstversorgung wirklich Sinn oder treibt sie einen über kurz oder lang in den Wahnsinn?

Das will ich in den kommenden Monaten und Jahren im Selbstversuch herausfinden und hier darüber berichten.

Prolog

Bevor ich aber ans Gärtnern, Säen, Pflanzen und Ernten gehe, möchte ich dich auf eine kurze Reise mitnehmen. Wir verlassen die Schweiz und machen uns auf den Weg nach Süden. Über Frankreich und Spanien geht es ins sonnige Portugal und zwar aufs Land. Dort steht – eingebettet zwischen Olivenhainen und einem riesigen Stausee – ein kleines Haus auf relativ viel Land, das ich mit meiner Frau und unseren zwei Hunden bewohne.

Viel wächst nicht auf unserem Grundstück: Olivenbäume, ein bisschen Eucalyptus und jede Menge Disteln

Das Land ist geschmückt mit Orangen-, Feigen- und Olivenbäumen. Am Fusse des Hügels, auf dem das Häuschen thront, befindet sich ein kleiner Teich, der von einem natürlichen Bach gespeist wird, in dem sich leuchtend rote Süsswasser-Garnelen mit erhobenen Zangen um ihre Reviere streiten.

In der Nähe stehen im Schatten von Eukaplyptusbäumen zwei Bienenstöcke, in denen emsiges Treiben herrscht. Nur einen Steinwurf entfernt suchen Kühe unter ausladenden Bäumen Schutz vor der Mittagshitze und nur wenige Monate alte Lämmer machen auf der Weide nebenan, was nur wenige Monate alte Lämmer eben so machen – Faxen.

Der Teich ist im Sommer die einzige natürliche Wasserversorgung und wird über einen winzigen Bach gespeist.

Was man jedoch vergeblich sucht, ist fruchtbare, dunkle Erde, wie wir sie aus nördlicheren Gefilden gewohnt sind. Sandiger Staub wirbelt auf, sobald man einen Stein übers Feld kickt – und der Boden ist voll davon. Im Sommer ist er zudem hart wie Beton, im Frühjahr und Herbst verwandelt der enthaltene Lehm den Untergrund in eine Rutschbahn. Wie soll denn da etwas Essbares wachsen?

Was ebenfalls fehlt – zumindest im Sommer – ist Wasser. In der Zeit von Anfang Juni bis Ende September gibt es keinen nennenswerten Niederschlag. Sollte doch einmal ein Tropfen zu Boden fallen, schafft der es nicht weiter als ein paar Millimeter, in den Erdboden einzudringen, bevor er verdunstet. Das Wasser aus dem Hahn ist nicht nur relativ teuer, sondern obendrein auch noch ziemlich hart – alles andere als ideal für Pflanzen.

Der Boden ist steinig und sieht verhältnismässig karg aus. Die oberste Schicht ist sandig, während sich darunter Lehm versteckt.

Nicht jeder Hobbygärtner ist ein Selbstversorger

Dass es trotzdem geht, beweisen nicht nur die Grossbauern der Umgebung, sondern vor allem hunderte Kleingärtner, die fast jeden Quadratmeter ihres Gartens in Ackerfläche verwandelt haben. Bei den Nachbarn gedeihen Gurken, Tomaten, Kürbisse oder Melonen – je nach Jahreszeit. Rote Chilischoten leuchten mit gelber Paprika (die nebenbei gesagt auch eine Chili ist) um die Wette und die Weintrauben hängen in dicken Dolden.

Was bei mir wächst, sind Disteln. Davon aber jede Menge. Die machen nicht nur den Hunden das Leben schwer, sondern verbreiten sich über das Fell der Vierbeiner auch überall im Haus. Barfuss auf einen Legostein treten? Für Anfänger!

Die Frage ist, ob es all die Kleingärtner wirklich schaffen, sich grösstenteils aus dem eigenen Garten zu ernähren oder ob das Ganze mehr als Hobby betrachtet wird, bei dem eher die mentale Entspannung im Vordergrund steht und nicht der volle Magen. Denn was ich sehe, sind vorrangig Gemüse, die nicht für ein Übermass an Kalorien bekannt sind. Gurken, Paprika, Zucchini – ein erwachsener Mensch müsste knapp 20 Kilogramm davon zu sich nehmen, um seinen Tagesbedarf von 2500 Kalorien zu decken. Good luck with that…

Offensichtlich ist also nicht jeder Hobbygärtner, der einen Topf mit Basilikum auf der Fensterbank am Leben hält, ein Selbstversorger. Die Frage ist: Was ist eigentlich möglich und wie müsste – theoretisch – der perfekte Garten für die totale Selbstversorgung aussehen? Wir werden es schon bald herausfinden.

Blauäugig in die Selbstversorgung

Ich muss gestehen, dass diese ganze Nummer meine Idee war. Wir waren gerade aus der “grossen” Stadt vom Einkaufen zurückgekehrt (die Relationen verschieben sich, wenn man in einem kleinen Dorf lebt, in dem jeder jeden kennt) und ich liess meinen Blick über die Berge an Plastikmüll schweifen, die sich wieder einmal angesammelt hatten. Dabei hatten wir doch nicht viel mehr als Obst und Gemüse gekauft! Und dennoch quoll der Recyclingsack über mit Folien, Styropor und anderem Firlefanz, mit denen meistens Dinge verpackt waren, die von Natur aus schon mit der perfekten Verpackung kommen. Warum in aller Welt müssen Bananen in Plastik eingeschweisst sein? Warum muss um eine Orange ein Kunststoffnetz montiert werden? Und wie dumm muss ein Mensch eigentlich sein, um einer Kokosnuss eine künstliche Umverpackung zu verpassen???

Mir reichte es und ich verkündete: “Wir werden Selbstversorger! Wir essen nur noch, was wir selbst anbauen!” Ich erinnere mich noch genau, wie der Blick meiner Frau mitleidig über meine Journalistenhände wanderte. “Ja, nee. Ist klar.” Ihren sarkastischen Ton ignorierte ich genau so wie die passive Aggression, die dem Ganzen mitschwang (toxic femininity is real!) und wertete ihren Kommentar vielmehr als Zustimmung. Und damit war es beschlossene Sache. Dan wird Farmer.

Die Bienen sind fleissig dabei, die Bäume und Blumen in der Umgebung zu bestäuben und Honig zu produzieren.

Null Erfahrung und keine Hacke

Wir sind beide keine jungen Hüpfer mehr. Meine Frau ist ein Bivi, ich bereits ein Uhu. Für die Boomer unter euch: Bivi bedeutet bis vierzig, ein Uhu ist unter hundert. Ausserdem haben wir null Kenntnisse oder Erfahrung, wenn es um den Anbau von Obst und Gemüse geht. Obendrein sind wir hoffnungslos mit Werkzeugen unterversorgt, welche die Arbeit auf dem Feld, in das ich den Garten verwandeln möchte, doch erheblich erleichtern würden (In beiden Fällen werde ich mich voll und ganz auf meine lieben Nachbarn verlassen, die mir grosszügig ihre Hilfe angeboten haben). Wir beide haben einen Job und somit keine Zeit, uns den ganzen Tag um den Garten und die Pflanzen zu kümmern.

Man darf also gespannt sein, wie das Projekt Selbstversorgung aus den Startlöchern kommt. Die erste Etappe steht bereits an: Die Vorbereitung des Bodens. Muss ich wirklich eine steinige Fläche von 300 Quadratmetern mit der Hand umgraben? Gelingt es mir, das Bewässerungsproblem zu lösen und welche Handcreme ist die beste für überstrapazierte Journalistenhände?

All das erfährst du im nächsten Artikel über das Abenteuer Selbstversorgung.

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2 Kommentare zu „Selbstversorgung – Sinn oder Wahnsinn?“

  1. Toll! Wir haben selbst auch einen grossen Garten. Für uns waren die Inputs von Wurzelwerk perfekt https://www.wurzelwerk.net/ . Sie hat super Tipps wie man mit wenig Aufwand den Garten bestellt. Die absolut wichtigste Info war das Mulchen. Da kann extrem Wasser gespart werden und es verbessert die Bodenqualität. Lehm und Sand ist gar nicht so schlecht. Der Boden muss einfach umgegraben werden damit sich beides gut durchmischt. Viel Spass bei eurem Projekt. Pflanzt anfangs viel sichere einfache Sachen und einige anspruchsvollere Pflanzen bei denen es vielleicht mehrere Anläufe braucht bis man den Dreh raus hat. So habt ihr sicher im ersten Jahr bereits tolle Erfolgserlebnisse.

    1. Hallo Nina,

      vielen Dank für deinen Tipp. Die Seite vom Wurzelwerk sieht toll aus, da werde ich mich sicherlich umsehen und weiterbilden.

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