Äpfel in Plastikbeutel

Nein zur Plastikverpackung? Viel Glück!

Plastik begleitet den Menschen buchstäblich von der Wiege bis zur Bahre. Es gibt heute so gut wie keinen Bereich mehr, in dem keine Kunststoffe wie Polyethylen oder Polypropylen eingesetzt werden. Der größte Teil dieser Kunststoffe wandert nach einmaligem Gebrauch in den Müll, wird recycelt oder verbrannt – oder landet in den Ozeanen. Den meisten Menschen ist dieses Problem bewusst und viele versuchen, den persönlichen Plastikkonsum einzuschränken. Dennoch wurde nie so viel Plastik produziert und verwendet wie in den vergangenen Jahren. Da stellt sich die Frage, wie realistisch ein Verzicht auf Plastik eigentlich ist.

Ein Leben ohne Plastik ist unmöglich geworden

Machen wir es kurz und beantworten die Frage vorweg: Ein Leben ohne Plastik ist unter den gegebenen Umständen für Menschen in Industrienationen und den sogenannten Schwellenländern gar nicht mehr möglich. Kunststoffe bestimmen große und teilweise lebenswichtige Bereiche unseres Alltags. Sie stecken unter anderem in Herzschrittmachern, künstlichen Nieren und Beatmungsmaschinen und können in den allermeisten Fällen nur ganz schlecht durch Holz ersetzt werden.

Auch in anderen Bereichen kann man sich nicht mehr vorstellen, ohne den Einsatz von Kunststoffen auszukommen. Wer beispielsweise möchte unsere Polizisten statt mit leichten Plastikprotektoren ausgestattet in stählernen Ritterrüstungen sehen, unfähig sich zu bewegen?

Hauptproblem: Verpackungsmüll

Doch es sind nicht die Schutzpolster der Sicherheitsbeamten und es ist auch nicht der Beatmungsschlauch, die sich zu einem der größten Umweltprobleme der Neuzeit entwickelt haben: Plastikmüll. Es sind vor allem Verpackungsmaterialien, Tüten und Folien, die nach einmaligem Gebrauch in der Tonne landen.

Seit Beginn des Plastikbooms in den 1950ern Jahren wurden weltweit etwas mehr als acht Milliarden Tonnen Plastik produziert (6,3 Milliarden Tonnen davon endeten als Müll). Das haben US-amerikanische Wissenschaftler in einer Studie herausgefunden. Mehr als 40 Prozent und damit der mit Abstand größte Teil wurde von der Verpackungsindustrie verwendet, gefolgt von der Bau- und Textilindustrie.

Das Märchen vom Recycling

Weltweit werden nur etwa neun Prozent des Plastikmülls tatsächlich zur Wiederverwertung aufbereitet. Zwölf Prozent werden verbrannt, die restlichen 79 Prozent wandern auf die Mülldeponie oder gelangen über Umwege schließlich ins Meer. Wer glaubt, dass die Industrienationen das Problem mit Recycling und ausgeklügelten Abfallentsorgungssystemen im Griff hätten – Fehlanzeige. 

Deutsches Umweltministerium belügt sich selbst

In Deutschland brüstet sich das Bundesumweltministerium damit, rund 80 Prozent des Abfalls zu recyceln. Das allerdings ist Augenwischererei, wie Thomas Obermeier, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Abfallwirtschaft, bestätigt. Er hält vielmehr eine Quote von 31 bis 41 Prozent für realistisch.

Entscheidend ist, was reingeht und nicht, was rauskommt

Der Grund für die riesige Abweichung: Für die Bundesregierung ist entscheidend, welche Menge an Müll in die Recycling-Anlage wandert. Was dort mit dem Müll geschieht und wie viel davon wirklich wieder dem Kreislauf zugeführt wird, spielt für die Statistik keine Rolle.

Im Klartext: 60 Prozent und somit mehr als die Hälfte des gesamten Plastikmülls landet in der Verbrennung oder auf der Deponie und kommt mit dem Recyclingprozess nie in Berührung. Das gilt vor allem für Plastiktüten und Folienverpackungen, die aus Qualitätsgründen nicht recycelt werden können.

Mangel an Optionen

Wer sich dem ganzen Verpackungswahnsinn widersetzen und seinen persönlichen Plastikkonsum einschränken will, der muss sich auf einen steinigen Weg vorbereiten. Die meisten Lebensmittel gibt es nicht mehr lose zu kaufen und da, wo es möglich wäre, eigene Mehrwegverpackungen zu nutzen, verbieten Hygienegesetze den Einsatz von Alternativen.

Gesetzliche Alternativlosigkeit

Mal eben dem Fleischer die Metalldose über den Tresen reichen, um die 125 Gramm Puten-Mortadella umweltfreundlich zu verpacken? Aber nicht doch! Und was in anderen Ländern gang und gäbe ist, kann man sich in Deutschland, Österreich und der Schweiz gar nicht mehr vorstellen. Reis, Bohnen oder Linsen in großen Fässern zum Selberabfüllen in mitgebrachte Gefäße, wie es beispielsweise in Mexiko üblich ist? Undenkbar!

Wer bio kauft, produziert mehr Plastikmüll

Es ist an Ironie kaum noch zu überbieten: Wer sich für den Kauf biologisch und umweltfreundlich erzeugter Produkte entscheidet, produziert deutlich mehr Plastikmüll als der, der zur herkömmlichen Ware greift. Der Grund liegt in der – meiner Meinung nach – suboptimalen Gesetzgebung, nach der ein Ökobauer seine Produkte als Ökoprodukte kennzeichnen muss, während der Giftbauer dies nicht muss. Bioprodukte kommen daher oft mit Banderolen, Aufklebern oder Plastik-Umverpackungen, um der Kennzeichnungspflicht gerecht zu werden.

Plastikfreie Läden

Und doch ist es in einigen Grossstädten möglich, plastikfrei einzukaufen. In Deutschland beispielsweise gibt es an die 100 Läden, die ihre Produkte komplett ohne Plastikverpackungen anbieten, Kaffee, Nudeln, Haarshampoo und Zahnpasta eingeschlossen. Auch in Österreich und in der Schweiz sind die „Ohne-Läden“ auf dem Vormarsch. Eine Liste findest von Unverpackt Läden ist hier.

Wer das Glück hat, in der Nähe eines solchen Ladens zu wohnen und gerne umsteigen möchte, braucht vor allem drei Dinge: Organisationstalent, Zeit und Geld. Viel Geld!

Geringe Auswahl zu hohen Preisen

Der spontane und bequeme Ein-Stopp-Einkauf, bei dem man in einem Geschäft vom Klopapier über die Autobatterie bis hin zum Schwangerschaftstest alles bekommt, was man braucht? Gibt’s nicht mehr. Stattdessen muss man sich mit dem begnügen, was die plastikfreien Läden anbieten und das ist in der Regel nicht wirklich üppig. Kann man im traditionellen Supermarkt zwischen dreißig verschiedenen Shampoos wählen, gibt es im No-Plastic-Shop nur eine Sorte – take it or leave it.

Auch bei Lebensmitteln muss man sich von der gewohnten Vielfalt verabschieden. Schonend gerösteter Hochlandkaffee? Von Hand gezogene italienische Pasta? Mundgeklöppelter Basmatireis? Eher nicht. Es gibt Kaffee, Nudeln und Reis. Diesen Kaffee, diese Nudeln und diesen Reis – take it or leave it.

Fast dreimal so teuer

Hat man sich mit der geringen Auswahl erst einmal arrangiert, wartet an der Kasse schon die nächste Überraschung auf den ambitionierten Weltretter: Da kostet ein Kilo Nudeln schnell drei Euro und die umweltfreundliche Ökozahnbürste aus Bambus schlägt schon mal mit acht Euro zu Buche. In einem Selbstversuch habe ich für einen Einkauf, der mich in einem normalen Supermarkt um die 30 Euro gekostet hätte, mehr als 84 Euro ausgegeben.

Ein stolzer Preis, wenn man bedenkt, dass ich Single bin und den ganzen Einkauf in einem kleinen Rucksack nach Hause getragen habe. Für Familien mit Kindern und/oder begrenztem Einkommen ist das also sicherlich keine Alternative.

Es geht auch anders

Doch es geht auch anders. Wer beispielsweise den plastikfreien Laden verlässt und zum Kaffeeröster um die Ecke geht, kann nach Belieben wählen, sich die bevorzugte Bohne mahlen und umweltfreundlich ins eigene Glas abfüllen lassen. Das ist hinsichtlich der Auswahl nicht nur leckerer, sondern in den meisten Fällen auch deutlich preisgünstiger. In jedem Fall aber vermeidet man die Plastikverpackung.

Kreativität statt Kunststoff

Ähnliches gilt für Wurst und Käse. Wer auf die Umverpackung verzichten möchte, geht am besten zum heimischen Fleischer oder Käseladen oder an die Theke im Supermarkt. Zwar sind die Angestellten per Gesetz nicht befugt, unsere mitgebrachten Mehrwegverpackungen entgegenzunehmen. Es spricht aber nichts dagegen, die Stahl- oder Glasdose auf den Tresen zu stellen und sich die Wurst oder den Käse hineinlegen zu lassen. Preisetikett auf den Deckel oder den Boden (so kann das Personal an der Kasse das Produkt leichter scannen) geklebt, Problem gelöst.

Günstiger geht’s im Internet

Wer bei Alltags- oder Kosmetikartikeln auf Plastik weitgehend verzichten möchte, kann im plastikfreien Laden ein Vermögen ausgeben. Deutlich günstiger geht’s im Internet. Diverse Online-Shops haben sich ganz auf den Verkauf nachhaltiger und natürlicher Produkte spezialisiert und bieten diese zu einem Preis an, mit dem der Laden an der Ecke einfach nicht mithalten kann. Darüber hinaus findet man im Internet eine deutlich größere Auswahl an Produkten, so dass auch der eigene Geschmack mitentscheiden kann.

Fazit

Der Totalverzicht auf Plastik und Kunststoffe ist nicht möglich und wäre in vielen Fällen auch nicht sinnvoll. Doch selbst der Verzicht auf Plastik als Verpackungsmaterial wird dem Kunden in den meisten Fällen alles andere als einfach gemacht und oft sogar vom Gesetzgeber behindert. Der Einkauf in speziellen plastikfreien Läden ist aufgrund der geringen Auswahl und der gesalzenen Preise nur für die wenigsten von uns eine echte Alternative. Etwas billiger geht es online, doch insgesamt ist beim Thema Verpackungsmüll noch viel Luft für Verbesserungen.

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